Stiftung Schwyzer Festungswerke

Presseartikel (Marchi) zum Vortrag von David Mynall über die Ausspionage der Festung Grynau
Presseartikel (ZSZ) zum Vortrag von David Mynall über die Ausspionage der Festung Grynau
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Spione in der Grynau

- von Marie-Eve Hofmann-Marsy

Am ersten Abend der diesjährigen Vortragsreihe des Marchrings referierte David Mynall über die Spionagetätigkeit im Zweiten Weltkrieg und das Leben in der Infanteriefestung Grynau. Jahrelang recherchierte er gewissenhaft über die bislang eher unbekannte Tätigkeit der Spione und fasste diese Erkenntnisse in einem Buch zusammen, das im nächsten Jahr vom Marchring herausgegeben wird.

David Mynall während der Präsentation

David Mynall berichtete spannend und umfassend über die Spionagetätigkeit rund um die Festung Grynau. (Bild: mem)

Über 50 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer begrüsste Dr. Jürg Wyrsch, Präsident des Marchrings, zum ersten Marchring-Vortrag dieses Jahres im Hotel-Restaurant Bären in Lachen am Mittwochabend, 18. März 2009.

Seit langem beschäftigt sich Referent David Mynall mit dem Thema der Spionage im Zweiten Weltkrieg, recherchierte in Archiven, sprach mit Beteiligten, sammelte Material und verarbeitete diese Informationen nicht nur zu diesem spannenden Bild-Vortrag, sondern schrieb dazu auch ein Buch, das im nächsten Jahr vom Marchring herausgegeben wird. David Mynall hat Geschichte und Deutsch auf der Universität Bern studiert, arbeitete drei Jahre in der Redaktion des Marchanzeigers und ist nun Sachberater Information bei der Kantonspolizei in Schwyz. Er gehört der Werksgruppe der Infanteriefestung Grynau der Stiftung Schwyzer Festungswerke an und konzentrierte deshalb seine Recherchen auf besonders dieses Gebiet.

Spionage gegen die Infanteriefestung Grynau

Originalberichte und –fotos

Die Originalberichte und –fotos lagern im Bundesarchiv in Bern. (Bild: mem)

In Originaldokumenten des Bundesarchivs in Bern ist zu lesen, wie die Infanteriefestung Grynau in den Spionageberichten beschrieben wurde. Viele Informationen stimmten, andere wiederum nicht. So ist diese kein vorgeschobener Posten und keine Reduitstellung gewesen, die Besatzungsstärke mit 160 Mann und der dreireihige Stacheldrahtverhau sind jedoch richtig. Die dazugehörigen 1,40 m hohen Pfosten stehen immer noch im Wald des Buechbergs und man weiss, dass 76 m Stacheldraht für ein Meter Hindernis verbraucht wurden. Weitere Abweichungen zur tatsächlich gebauten und ausgerüsteten Festungen betreffen die Bewaffnung mit Maschinengewehren und Kanonen, die in Wirklichkeit nicht drehbare Beobachtungsstelle sowie die fehlende Nennung der einzig wirklichen Schwachstelle der Festung, dem Notausstieg. Generell wurde in den Spionageberichten die Bewaffnung der Grynau massiv überschätzt.

Baupläne aus dem Papierkorb gestohlen

Aber woher stammten diese Informationen? Der Schweizer Albert Daumüller besorgte sich eine Anstellung im Hotel Regina Palace in Interlaken und stahl die Baupläne des Büros für Befestigungsbauten aus dem Papierkorb. Daumüller wurde speziell für diese Aufgabe ausgebildet und ausgerüstet und von der deutschen Abwehr zweimal mit je CHF 100.- bezahlt. In der Anklageschrift steht: „Daumüller wird angeklagt, sich an einem nicht mehr feststellbaren Tage im Monat Februar 1942 zusammen mit Müllerleile illegal über die Grenzen nach Lörrach begeben zu haben, wo er mit dem deutschen Agenten Fischer zusammen gekommen ist.“ Weiter, dass er einen achttägigen Militärspionagekurs gemacht hat und mit einem Spezialfotoapparat in Taschenmesserform ausgerüstet wurde. Daumüller schwieg sich zwar über die Zahl der übergebenen Objektpläne aus, die beschlagnahmten Pläne wurden jedoch nicht weitergegeben. Man ging davon aus, dass es sich bei den meisten Plänen aus dem Papierkorb um nicht realisierte Projekte gehandelt haben muss, aber auf Grund des Zeitrahmens dürfte er die Pläne der Grynau übergeben haben. Albert Daumüller wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus, Ausschluss aus dem Heer und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenfähigkeit für zehn Jahr verurteilt.

Ausführlicher Bildbericht über die Grynau

Ein weiterer Spion war Wilhelm Gebhardt. Er war Reichsdeutscher, lebte in Zürich und erhielt CHF 1000.- für seine Spionagetätigkeit. Er beschaffte sich nicht nur Informationen, sondern lieferte einen ausführlichen Bildbericht. In den Originalakten steht: „Im Mai 1942 fuhr ich mit der Bahn nach Rapperswil. Dort bestieg ich mein mitgenommenes Velo und fuhr über Schmerikon – Uznach nach der Linthebene (ebenfalls an einem Sonntag). Ich wusste, dass Grimm und Laubscher in der gleichen Gegend schon gearbeitet haben, Grimm wollte die betr. Stellung schon vom Zuge aus gesehen haben, wusste ich, dass dort vorsichtig handeln musste. Ich kam dann nach dem Schloss Grinau, im dortigen Restaurant nahm ich etwas ein. Ich schaute die Bunker und Stacheldrahtverhaue an und kehrte dann wieder nach Uznach zurück. Ich begab mich die Rickenstrasse aufwärts und aus einer kleineren Anhöhe herab machte ich aus dem Walde eine fotografische Aufnahme des Schlosses Grinau, wie auch vom dortigen Elektrizitätswerk.“

Schweizer Spione hingerichtet

Mynall zeigte die gemachten Aufnahmen, die zwar erstaunlich exakt waren, jedoch auch nichts darüber aussagen konnten, was nun wirklich in der Festung Grynau an Bewaffnung war. Wilhelm Gebhardt wurde zu lebenslänglichem Zuchthaus und 15 Jahren Landesverweis verurteilt. Seine beiden Schweizer Auftragsgeber Walter Laubscher und Herbert Grimm wurden am 7. Dezember 1944 hingerichtet. Im gleichen Spionagering war auch Ernst Hasler tätig, der im Oktober 1941 nach Deutschland flüchtete, bei seiner Rückkehr in die Schweiz verhaftet und verurteilt wurde. Er und sein Bruder führten ein Bauunternehmen, das viele Aufträge von der Armee erhielt. Hasler durfte ab 1941 nicht mehr auf militärischen Baustellen arbeiten und erhielt so von seinem Bruder Armierungspläne des Werkes Grynau, die er dem deutschen Nachrichtendienst weitergab.

Infanteriefestung Grynau für Interessierte offen

Beobachtungsstelle der Infanteriefestung Grynau im Buechbergwald

Die prägnante Beobachtungsstelle der Infanteriefestung Grynau im Buechbergwald oberhalb des Schlosses Grynau. (Bild: mem)

„Die Abschreckungsfunktion hat das Werk Grynau dank der falschen Spionageberichte wahrnehmen können.“ ist Mynall überzeugt, da keiner der tätigen Spione über die richtige Bewaffnung berichten konnte. Wegen des kalten Krieges wurde die Festung noch lange aktiv gehalten. Erst in den 80er Jahren wurde sie ausgeräumt und in den 90er Jahren ausgemustert und deklassifiziert. 1999 übernahm die Stiftung Schwyzer Festungswerke die Infanteriefestung. Die Werksgruppe Grynau renovierte das Werk in vielen Stunden Fronarbeit, rüstete es mit Originalwaffen und –ausrüstungsgegenständen aus und seit 2000 ist sie der Öffentlichkeit zugänglich. Im Rahmen des geplanten Schwyzer Festungs(s)passes 2009 ist die Infanteriefestung Grynau sowie die Werke Selgis, Sihlsee, Sattel und Etzel am Samstag, 16. Mai und Samstag, 19. September 2009 für alle Interessierten offen. Weitere Informationen unter www.schwyzer-festungswerke.ch.

Das Leben in der Festung

In der Infanteriefestung Grynau war die Territorial Füsilier Kompanie II/146 mit 160 Mann Sollbestand stationiert. Abwechselnd wurde Dienst im Werk und in Uznach abgeleistet. Ein ’normaler’ Tag begann um 8 Uhr mit dem Marsch zur Festung. Bis 11.45 Uhr stand Arbeiten auf dem Programm, von 11.45 Uhr bis 13.45 Uhr war Mittagspause, anschliessend bis 16.30 Uhr Arbeiten und ab 21 Uhr blieb nur die Hälfte der Besatzung im Werk. Das Mittagessen wurde in Uznach eingenommen, was bedeutete, dass alle hin- und zurücklaufen mussten. Nur einmal hat man probiert, die 160 Mann in der relativ kleinen Kaverne der Festung zu verpflegen. Es dauerte über drei Stunden. Die ungefähr drei Wochen Dienst waren streng und wer z. B. bei der Wache beim Rauchen erwischt wurde, dem blühten fünf Tage Arrest. Zweimal wurden 1942 und 43 Angriffsübungen abgehalten, die zweite vom damaligen Kommandanten explizit gelobt.

Traurige und amüsante Geschichten

Am 27. Mai 1943 war das Kader der Ter Füs Kp II/146 im Kadervorkurs. Als die Linth mit einem Floss überquert wurde, verunglückten sechs Männer einer Genie-Einheit, wurden von den Fluten mitgerissen und konnten auch durch das zur Rettung aufgebotene Kader nicht mehr gerettet werden. Mit einem grossen Trauerzug und allen militärischen Ehren wurden die sechs Männer zu Grabe getragen. Dagegen ist ein anderer Vorfall eher amüsant. Immer wieder wurden Isolatoren der Telefonleitungen beschädigt. Die Truppe und die Militärpolizei vermuteten sogar ausländische Spionage dahinter. Es hat sich aber herausgestellt, dass acht Buben die 18 Isolatoren abschossen. Der Lausbubenstreich wurde zu einem Militärgerichtsfall, wobei in den Akten als erstes wohl recht erstaunt festgehalten wurde, wie es überhaupt möglich sei, dass 14-Jährige Munition kaufen konnten. Der Schaden belief sich auch insgesamt 110 Franken. Durch den Einsatz der Schule mussten die in bescheidenen Verhältnissen lebenden Familien jedoch nur den Schaden ersetzten, auf eine Busse wurde letztendlich verzichtet.